2. April 1945


Vorbei das Osterfest - und man hat's nicht gespürt, gar nicht. Den ganzen Tag kein anderes Wort als
Krieg, Hunger, Mord und Wahnsinn. Der Russe kurz vor Wien, der Amerikaner vor Eisenach. Was soll
man da noch schreiben? Hab kaum geschlafen in der letzten Nacht, eine gräßliche Unruhe war das,
die da in mir wühlte und viele, zu viele Gedanken. Mein Himmel, wenn ich doch wenigstens wüßte,
wo Du bist.
Ach, wenn ich in den Spiegel schaugrad anfangen zu weinen könnt ich. Will doch, daß Du eine ganz
junge Frau bekommst, Du, und ich she doch täglich mehr, wie scharfe Linien sich eingraben wollen ins Gesicht.
O Du, nicht daran denken will ich, mein lieber, lieber Gerhard, ich möcht doch alles, alles aufsparen - nur für Dich.

3. April 1945


Eigentlich ist's ja schon der 4. jetzt um 1/2 2 Uhr, aber es gehört wohl doch noch zum 3. Viel solls nicht werden,
weil ich gar zu müde bin. Seit 11 Uhr Alarm, man hat da wenig Lust zum Schreiben nach Mitternacht. Ist ja
auch nicht viel zu sagen. Hausarbeit, Nähen, Rutschen. Die Gedanken dabei, die laß ich heut lieber.
Bei Rüpel am Abend, dasselbe war's fast, wie schon den ganzen Tag hier.
Nein, heut will ich endlich einmal ruhig schlafen. Schluß.

Tagebuch ab 4-4-45

4. April 1945


Schon wieder Alarm. Nun, das fällt dem Amerikaner auch nicht mehr schwer, hierherzukommen, so nah,
wie er nun steht.
Aber ich mag nicht schreiben heut, man wird noch müder davon, müder an allem.


5. April 1945


Da fährt man nun nach Berlin mit einem Packen Bezugscheine in der Tasche und kann nichts bekommen dafür.
Zum wievielten Male wohl schon? Wieder und wieder, aber auch die Heereskleiderkasse hat nichts mehr.
Wenn ich doch wenigstens die Hemden bekommen könnte! Nicht ein Hemd hast Du, wenn Du kommst,
Gerhard, und schreibst, ich möcht Dir ein weißes Seidenhemd besorgen für die Hochzeit, und ein blaues
dazu. Was Ihr Euch da wohl so denkt dabei; seit Monaten ist noch nicht ein einziges Hemd in Deiner Größe
dagewesen, und dann: Einheitshemd, scheußlicher Kram.
Aber es wird einem leid, immer und immer herüberzufahren, und jedes mal vergebens.Ach, Schluß damit,
es wird einem halt alles zuviel. Wie oft am Tag ertappe ich mich bei einer unausstehlichen Reizbarkeit.
Und wie oft wollen grundlos Tränen fließen? Wie lange dauert es noch und dann ist man fertig, ganz und gar.
Wenn Du doch kämst, Gerhard, bald, sehr bald.


6. April 1945


Ein Tag wie der andere. Ich weiß nicht, soll man derüber lachen oder weinen?Ach, wie gleichgültig ist
doch alles. Als heut im Wehrmachtsbericht wieder die Front aufgerollt wurde, da hab ich laut angefangen
zu lachen. Ich mußte einfach. Was denken sich die da oben eigentlich? Mein größter Wunsch ist nur immer
wieder: ein schnelles Ende.
Lieber Gott, wenn's denn sein muß, so doch nicht mehr so sehrlangziehen das Ende. Und diese Wahnidee,
der Werwolf, so etwas ist eine Schande für uns, eine riesenhafte Schande. Mein armes, armes Deutschland.


7. April 1945


Es sit so schwer, jetzt die rechten Worte für den Schlumps zu finden. Kann ihm doch meine Verachtung,
 meine Bitterkeit und all das nicht zeigen.Und die ganz rechte, die die ruhige, beschauliche Freude,
die mich immer so tief ergriff, ich hab sie auch nicht mehr.Wie kann ich ihm da so viel vom Frühling sagen?
Mag's klein sein, winzig klein, am Äußerlichen gemessen, es ist doch da, und dann nicht so klein wie es scheint.
Ach ja, mein Himmel, wie ist es, wenn man beim Schreiben schon den Gedanken hat: Umsonst, der Brief
kommt doch nie an!?
Ach Du, weiß ich doch, daß Du eines Tages hier vor mir stehst, das wir beide das noch erleben dürfen,
daß keiner allein dastehen muß.
Aber der Mensch weiß nichts. Nichts. Du, eine Badehose für Dich hab ich angefangen, kannst Du Dir das
vorstellen? Das Vorderteil ist schon fertig, Lümmel!
Wie eigenartig und unbegreiflich ist das Leben, das einem immer grad dann lebenswert erscheint,
wenn's vielleicht bald zuende sein wird, und das so unerbittlich bei uns bleibt, wenn wir es verwünschen.

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