<head> <meta http-equiv="content-type" content="text/html; charset=UTF-8"> <title>Kriegs Tagebuch von Ursula Buckow ab 22.4. 1945 - Seite 5 04

22. April 1945

So, nun ist's soweit. 30 bis 40 Panzer sind gestern bei Michendorfabgeschossen worden.
Der Ring um Berlin war fast geschlossen. Was sind die Menschen kopflos. Babelsberg
sollte geräumt werden. Ist's nicht ein Wahnsinn? Was sollen die Menschen in Ketzin
auf der Landstraße, in strömendem Regen? Na, mich bekommt keiner heraus. Wir
haben uns halt aufs Kellerwohnen umgestellt. - Vati muß nun gleich fort. Wahnsinn,
alles Wahnsinn. Und ich hab keine Zeit mehr zum Schreiben., es gibt so viel Arbeit.
Bin gespannt, was nun werden soll. Auch mit der Esserei. Ein Tumult war das gestern schon.
Kein Brot mehr. In mir ist alles Erwartung.

24. April 1945

12.20 Uhr
Überall Schießerei. Wie weit sind die Amerikaner? Vor Potsdam? Gerüchte über Gerüchte
schwirren im Ort herum. Man muß damit rechnen, jeden Moment die Russen im Haus zu haben.
Die Lange Brücke ist gesprengt.  Und das Leben geht weiter seinen Gang.  
Von halb 7 bis halb 12 war ich unterwegs, um einzukaufen. Hab wieder kein Brot bekommen.
Anstehen, anstehen, und dazwischen knallt und rumst es. Aber Fleisch hab ich bekommen,
ohne Marken dazu. Auf zum Mittagessen.

25. April 1945

20 Uhr
Ab und an Schießerei irgendwo. Nicht viel. Zeit zum Schreiben. Im Allgemeinen hier
ziemlich ruhig. Die Russen schon überall. Auch in unserer Straße. Bei uns im Haus
bis jetzt jedoch noch nicht. In der letzten Nacht Revolten der ausländischen Zivilarbeiter.
Das Konsumlager gestürmt. War heut vormittag noch mit Frau Zipke dort, aber die Menschen
sind ja völlig vertiert, man ist froh, wenn man heraus ist. Aber einen kleinen Beutel Mehl
haben wir doch erstanden.
Rüpel ist vor zwei Tagen mit Gisela nach Brandenburg abgefahren.Läßt ihre Mutter hier
ganz allein, ich verstehe das einfach nicht.


27. April 1945

11.30
Das Schießen hat jetzt etwas nachgelassen, auch die Werfer schweigen. Aber das ist
alles das Wenigste und ich hör die Knallerei schon gar nicht mehr.
Gott, ich weiß gar nicht, wie dankbar ich wäre, wenn's sobliebe wie jetzt, doch es wird
noch schlimmer werden, recht schlimm. Gestern sind alle Geschäfte von Ostarbeitern
geplündert worden. - und man konnte es doch gar nicht anders erwaten. Was hat man
diesen Menschen vielleicht einmal versprochen früher?
Jetzt stehen sie wieder bewaffnet hier vor dem Haus. Jeden Augenblick muß man damit
rechnen, daß sie auch hier hereinkommen.
Und mit der Esserei, wie mag's da werden? Heut früh hab ich mit Mutti angestanden,
stundenlang um 500  Gramm Brot. Für 4 Personen 500 Gramm. Und wie lange soll das
nun reichen? Morgen bekommen wir nichts, sagte der Bäcker. Der Komissar hatte ihm
heut früh 50 Brote zum Backen bewilligt. Innerlich bin ich schon so lange auf alles
vorbereitet gewesen, daß ich bis jetzt nur aufrichtig dankbar bin. Wie viel schlimmer
hätte alles sein können.

28. April 1945

12.15
Seit 5 Uhr früh waren wir wieder  nach Brot unterwegs bis 1/2 11. Und es gab wieder
500 Gramm. WEie froh ist man darüber. Bei dem gestrigen Bäcker wär das Stehen ja
auch vergebens gewesen.
Ach. man mag gar nicht alles schreiben. Das Rote-Kreuz-Lager wird seit gestern
geplündert und Ausländer wie Deutsche raffen alles zusammen, wahllos und gierig.
Es widert einen an. Man möcht wirklich wieder einmal seine Ruhe haben, richtig
schlafen können, sich waschen. Nun, waschen tu ich mich ja schon, aber Wasser
gibt es seit ungefähr einer Woche nicht mehr und bekommt man die Sachen für
einen kleinen Augenblick vom Körper, so muß man eilen, gleich wieder hineinzusteigen.
Und nachts schläft man, wie man am Tag umhergeht.
Gestern abend waren große Brände in Richtung Nedlitz, heut ist es ziemlich ruhig.

14.00
Vorhin waren 2 russische Soldaten bei uns, wollten aber nichts außer Armbanduhren.


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Das sind Auszüge aus Tagebuchaufzeichnungen im ereignisreichen Jahr 1945, aufgeschrieben von
Ursula Böhme  aus Potsdam - Babelsberg (bei Berlin). Sehr Persönliches mischt sich mit den historischen
Umwälzungen, die diese Zeit des Kriegsendes charakterisieren.
Wird der Schlumps aus dem Krieg zurückkehren? Welche Besatzungsmacht wird zuerst in der Ufastraße
(Stahnsdorfer Str.) eintreffen? Wie verlief der Alltag zwischen Anstehen nach 500 g  Brot und Plünderung
des Konsumlagers?