30. April 1945
20.00
Potsdam scheint auch kapituliert zu haben, bis auf Eiche,
Glienicke und Sans Souci wohl.
Genaues weiß man ja noch immer nicht. Man ist auch viel zu
müd, um immer nachzudenken.
Ruhe möcht ich einmal haben. Einen Tag und eine Nacht Ruhe.
Schlafen können. mich
ausziehen, nicht stets nur in Unruhe auf der Lauer liegen und
Angst haben müssen.
Die Vergewaltigungen nehmen mächtig zu. Und trotzdem,
eigentlich bin ich innerlich
noch ohne die rechte Unruhe und Furcht. Nur das Leben jetzt,
das reizt so auf. Und der
Schlaf, der fehlt. Jeden Morgen 4.15 Uhr us demk Bett und dann
Schlangestehen. Aber
wie froh bin ich doch jeden Tag wieder, wenn alles so gut
gegangen ist und wir unser Heim
behalten haben.
4. Mai 1945
14.00
Wie gern würd ich mich einmal in den Garten setzen! Aber kann
man das wagen?
Lieber nicht. Heut sind den ganzen Vormittag Truppen hier
vorbeigekommen.
Ununterbrochen. Fußtruppen, Wagen, Autos, Geschütze, so ging
es ohne Ende.
Gestern oder vorgestern soll der Kampf um Berlin aufgehört
haben und nun waren
dies wohl die Truppen von dort.
Was wird nun? Heute dieses Gerücht, morgen jenes. Jetzt
heißt's wieder, daß doch
amerikanische Besatzung herkommt. Aber was ist nun wahr?
Hab endlich einmal gewaschen heut. Und was das heißt in den
jetzigen Verhältnissen,
später wird man es nicht mehr begreifen können. Frontleben war
das also.
6. Mai 1945
11.00
Seit den frühesten Morgenstundenist von fern her
Geschützgrollen zu hören.
Dabei ging gestern schon das Gerücht um, daß Frieden
wäre.Schöner Frieden.
Und von West-Südwesten kommt das Artillerieschießen;
vielleicht aus der
Brandenburger Gegend? Es sind ja auch viel Truppen in dieser
Richtung hier
vorbeigekommen, und die Lastwagen rollen noch immer.
Wenn ich nur einmal wüßt, was mit Rüpel ist. Dieses Dummchen.
Jede Nacht
träum ich jetzt von ihr. Wer weiß, wo sie steckt, und hier
ist's derweil jetzt so
ruhig, daß es heißt, morgen würden schon Lebensmittelkarten
ausgegeben werden.
Vati ist seit gestern nun das zweite Mal bei Arado, um auf
eigene Faust der Plünderei
ein Ende zu machen und zu retten, was noch zu retten ist. Ob
wir wohl bald wieder
eine Ordnung im Lande haben? Ach, wenn der Krieg doch wirklich
endlich aus wär!
Und wie lange dauert's dann noch, bis der Lümmel kommen kann?
Hab gestern so
sehr dran denken müssen.
8. Mai 1945
21.00
Gestern erste Ausgabe der Lebenskarten. War zwar eine lange
Steherei, aber
immerhin. Bis gespannt, was nun aufgerufen wird. Vorläufig
erst ein Brot.
Vati ist wieder Betriebsleiter bei Arado, hier in Babelsberg
aber. Wir sind sehr froh
darüber, denn vielleicht kommt nun bald Ordnung in dies
heillose Durcheinander.
Heut soll endgültiger Frieden sein. Ob das stimmt? Wenn man's
nur wüßte. Nun
heißt's, auf den Gerhard warten. Und ich weiß nicht, ich
ban fast froh dabei.
Bisher ist's immer heller als meine Fantasie-Welt gewesen,
darum bin ich so dankbar.
Die vielen Selbstmorde in letzter Zeit! Ich verstehe die
Menschen nicht. Es gibt so
viele schwere Stunden im Leben, sollte man da gleich ans Ende
denken. Was soll
denn daraus werden?
11. Mai 1945
Über all meinen
Tagen steht ein Hoffen und ein freudiges Warten. Der Gerhard
muß
ja noch leben, ich glaub doch so fest daran. Und immer, immer
steht die Frage da:
Wann wird er nun kommen? Dieses große Wann. Ein Ob gib es ja
nicht für mich.
Ich spür's dann auch, wie sehr ich nur Frau bin. Weiß
nur gar zu genau, wie groß
die Freude wär, käm er jetzt gegangen, ganz gleich wie, käm er
nur. Könnt
ausgekniffen sein von mir aus, so gleich wär mir das alles.
Aber das tut er ja nicht,
der Schlumps und ich will auch all die dummen Wünsche
zurückdrängen und still
und geduldig warten. Mein Lümmel Du, warten auf Dich.
Und Pläne hat Dein Bärchen
, kaum daß all die größte Unruhe ein wenig vorüber ist. Du,
Stoff hab ich, Stoff für
eine Eck-Couch, die wir aus zwei Matratzen machen können. Was
sagst Du dazu?
Muß Dir's doch erzählen, wo's mit dem Briefe-Schreiben so ganz
und gar aus ist.
Ja Du, zwei Betten in meinem kleinen Zimmer, das wär doch nix,
und da fiel mir halt
die Eck-Couch ein. Merkst es, daß ich wieder Zeit zum Träumen
finde, Lümmel.
Seit dem 9. ist nun Frieden. Zwei Tage haben die Russen
gefeiert hier, haben in
der ersten Nacht geschossen wie doll, als wollten sie die
Munition nun nicht mehr
mit nach Rußland nehmen und sie halt darum im Freudenfeuerwerk
hochgehen lassen.
Ja, wir sind jetzt die Besiegten, und für den, der innerlich
sich nicht darauf vorbereitet
hat, ist es so sehr hart, daß er es nicht begreifen kann. Und
mit der Ernährung wird's
immer trostloser. Aber ich will nicht klagen. Sie ist mir
geblieben, meine tiefe Dankbarkeit.
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